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Aktuelle Ausstellung

Martin Vorwerk

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Rauschen
& Raunen

                     

Kartierungsversuche am Wegesrand

Solo Exhibition

06.04.24 - 14.04.24

jeweils Sa & So 15 - 18 Uhr

sowie nach Vereinbarung

Eröffnung ​& Begrüßung

06. April, 15 Uhr

POKENBURG 8
39387 SCHERMCKE

About

Martin Vorwerk

Rauschen & Raunen

 

Die erste Ausstellung im frisch sanierten, historischen Stallgebäude – nun Atelier und Galerie – zeigt eine Auswahl meiner eigenen Arbeiten und aus einem relativ großem Zeitraum – beginnend mit meinem Umzug von Schermcke nach Berlin für den Zivildienst im Jahr 2006. Diese freien Arbeiten sind quasi am Wegesrand entstanden, also nicht für meine professionellen Arbeit als Kommunikationsdesigner und Historiker für Afrikanische Kunst. Mittlerweile interpretiere ich sie als Kartierungsversuche. Als Ortsbestimmungen, Wegpunkte und Brotkrumen auf einem Weg, der weder vorhersehbar noch geradlinig ist sondern vielmehr einer Welle gleicht. Der Welle als Symbol, wie ich sie in meiner Stipendienzeit in Istanbul am Bosporus für mich als essentiell und allumschreibend formuliert habe. Wo ausschlagende Amplituden – negativ wie positiv – Aussichtspunkte sind, wo linearer Stillstand nicht existiert.
„Umwege verschaffen Ortskenntnis“, heißt es. Und so versuchte ich, eine zunächst
leidige Übersensibilität nicht nur zu akzeptieren sondern auch zu materialisieren.
Gearbeitete Kraftzentren und Steelen – Altäre, so man will – dienten als mir Ankerpunkte - so wie mir dieser Hof und Garten hier in Schermcke immer Hafen und Leuchtturm in stürmischen Zeiten war.

Dabei und darauf sind Notizen, Formeln und eingedampfte Glyphen entstanden: von Welten, Zuständen, Treiben und Reigen sowie Sinneswahrnehmungen, die ich sonst nicht hätte in Worte fassen können: Das Tanzen, Raunen, Murmeln, Wispern, Rauschen allen Lebens das uns umgibt und dessen Teil wir sind: Knospen, Tropfen, Flügel, springende klingende Steine, Pantoffeltierchen, Telefone, Samenkörner und Mutters rote Socken.
Die Genese dieser Skizzensprache wurzelt in den Momenten, als ich um 2009 meinen eigenen Körper sowie alles mich Umgebende, tanzend, mit neu geöffneten und geweiteten Sinnen synästhetisch erfahren lernen durfte. Zum Rhytmus wie zur Stille der Nacht. In Berlin, wie in Schermcke und der umgebenden Natur. Empathie und Synästhesie.

Die Beschäftigung mit Labanotationen, also grafischen Aufzeichnungssystemen der
Bewegungen von Körpern im Raum, zusammen mit der Faszination von mikroskopisch-schematischen Naturdarstellungen sind zwei von diversen ästhetischen Bezugspunkten meiner Strichzeichnungen, die eigentlich Choreografien sind. Mein Buch „Ode an den Totentanz“ von 2009 ist für mich der Schlüssel zu den vorherigen Gedankengängen, Skizzen des damals Akuten sowie Visionen des Folgenden. Einem Fiebertraum oder eben beinah Totentanz gleichem Zustand folgend, legte ich mit dieser Skizzen- und Konzeptesammlung die Grundlage meines späteren und aktuellen Wirkens. Dies geschah zu und wegen einer Zeit, in der mir wichtige Menschen sich in den tiefsten Wellentälern sahen. Und in Ahnung auf das folgende eigene Tief, den negativ gepolten Aussichtspunkt, den ich jedoch um seine Horizontkartierung nicht missen möchte.

Aber nicht nur das unmittelbar und im Größeren Lebende und Tanzende, sondern auch das Raunen der materialisierten Geschichten vergangener Zeiten spielt eine wichtige Rolle für meine Arbeit:
Die größte Schatz- und Wunderkammer meiner Kindheit war immer der Dachboden des großelterlichen - diesen Hauses hier. Fast war es trotz der Faszination kaum auszuhalten – überall ein sich überlagerndes Flüstern und Murmeln von Stimmen, Bildern vergangener Zeiten und Akteuren.
Vergilbte Liebes- und Feldbriefe, Kinderkritzeleien von nie gekannten 1000-Jährigen, Pelzen, die sich einst in Höhlen betteten und Herbarien, die irgendwann mal Blütenduft verströmten. Die Ahnung vom großen Rauschen begann hier.
Später dazugekommen sind Flohmarktfunde, sowie stets am Wegrand Gefundenes - in denen sich dem offenen Sinne unzählige Geschichte offenbaren – tatsächlich geschehene oder solche, die hätten geschehen können, Neukombinationen und das Erschaffen alternativer Realitäten – Collagen.
So wird manches Weggeworfenes das sich immer wieder dorfauswärts findet, im
Schoße einer alten Kornschippe zu Gestirnen oder beispielhaftem Weltraumschrott.
Das über Generationen hinweg gesammelte Wissen unserer Vorfahren in noch handgearbeiteten Werkzeugen, ihren Gebrauchsspuren und neuen Bedeutungen, z.B. als Kinderstube und Bankett für Holzwürmer und Borkenkäfer, mag ich lesen und neu deuten. Erinnern denn deren Fraßlöcher in dem kleinen Schneidebrett nicht von sich aus schon an einen Sternenhimmel? Die Lichtreflektion unseres wichtigsten Fixsterns, der Sonne, versuchte ich hier durch das Einbringen von Nägelköpfen in ausgewählte Wurmlöcher einzufangen. So wird dieses leise und zunächst unscheinbare Objekt
zu einer Einladung, der Sternenreise von Mnemosyne, der griechischen Göttin der
Erinnerung und Mutter aller Musen zu folgen.

Der Nachthimmel spielt für mich tatsächlich immer wieder eine wegweisende Rolle. Als Karte und haltgebender Orientierungspunkt in einer zunehmend vom Menschen und seiner durch Kunststoffen und Zahlenfolgen gestalteten Welt, welche mir immer fremder wird. Es beruhigt mich, schließlich zu wissen, dass der Sternenhimmel, den ich mit 16 Jahren in der Zentral-Sahara sah, dasselbe Firmament und längst gestorbene Licht war, wie jenes, das unsere Vorfahren schon vor zehntausend Jahren dort sahen. Zu einer Zeit, als die Wüste noch Meer und fruchtbares Land war. Eine Erinnerung daran, dass alles stets im Wandel ist, lebt, strebt, vergeht und sich neuerfindet. So sind die Sprachen, Werte und Moden von heute nur winzige Perlen in der perlmuttschimmernden Halskette der Geschichte. Eine wogende Momentaufnahme in der Petrischale unter dem Mikroskop. Was bleibt, wenn wir den Blick von unserer begrenzten menschlichen Perspektive hinauswagen, ist ein *großes Rauschen*, dass sich aus unendlichen Geschichten zusammensetzt. Geschichten, die, mögen sie auch noch so fern, fremd und alt erscheinen, doch immer allem Sein eingeschrieben sind und alles Sein sind. Hält man auch nur für einen Moment inne und ist ganz ruhig und ohne Mauern oder Stacheldrähte, kann man sie vielleicht im Sternenwind Raunen und Rauschen hören.

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martinvorwerk (at) posteo.de

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Pokenburg 8
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